Großes Papier

Die Umgebung zu zeichnen ist wie mit einem Elektronenmikroskop zwischen die Falten der Materie zu schauen.

Mich begeistert eine Idee, die Gilles Deleuze in seinem Text „Die Falte“ zitiert und nach der Leibniz erklärt, dass Teilchen von Teilchen nicht getrennt seien. Im Gegenteil, Materie falte sich in immer kleinere und noch kleinere Falten, bis sie sich schließlich in Kurvenbewegungen auflöse. „Man kann daher die Teilung des Kontinuums nicht mit der des Sandes in Körner vergleichen, sondern mit in Falten gelegtem Papier oder Stoff, so dass es unendlich viele Falten geben könnte, die einen kleiner als die anderen, ohne dass sie der Körper jemals in Punkte oder Minima auflöste.“

Wie ein Klotz steckt das sehr große Papier zusammengefaltet im Rucksack, dazu ein Pinsel und Tusche. Das Papier, aus dem Rucksack genommen und ausgefaltet, wird zur Landschaft, durch die der Zeichner wandert und zeichnet. Auf sehr großem Papier zu zeichnen ist das Fortsetzen der Wanderung.

Foto: Christa Tvedt

Foto: Klaus-Peter Schneider

Ich habe mich gefragt, wie Gehen und Zeichnen verbunden werden kann. Wie kann Zeichnen ein körperlicher Vorgang werden, bei dem ein Strich erst mit einem Schritt entsteht? Wohin führt das?

Wandern, Flanieren und das Bewegen im Raum sind verknüpft mit der Orientierung. Es scheint, als würden Navigationsapps diese urmenschliche Fähigkeit ablösen. Wer weiß noch, wie es ist, sich ohne Navi fortzubewegen? Es braucht dafür ein Lesen oder Auswendiglernen der Umgebung: mit allen Sinnen beobachten und präsent sein. Wie wäre es, ohne Navigationsapp zu laufen, aber dabei zu zeichnen? Was ist dann zu sehen und wie verändert es die Wahrnehmung und Orientierung?

Die Umgebung zu zeichnen ist wie mit einem Elektronenmikroskop zwischen die Falten der Materie zu schauen. In Big Paper habe ich angerissen, warum die Arbeit mit sehr großen Papieren auch im Bildungskontext interessant ist. In Lenz ist zu sehen, wie diese Zeichnungen Teil eines Theaterstücks wurden, und St.Pauli zeigt, wie unzählige Details der Zeichnungen als halb durchlässige Membran funktionieren.

Weitere Grafiken

Für mich bedeutet das Zeichnen auf sehr großem Papier, das Messer der eigenen Synapsen zu schleifen, die Wahrnehmung und Impuls verknüpfen.

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